Die Palette der Pflanzen, die Gärtnern zur Verfügung steht, ist seit dem Mittelalter bis heute exponentiell gewachsen. Die ersten dokumentierten Pflanzen wurden von den Römern eingeführt, als sie einen Großteil Europas kolonisierten. Die koloniale Expansion derselben Länder seit der Renaissance führte dazu, dass sich Pflanzen weiter ausbreiteten und schließlich auch Amerika, Asien und Australasien erreichten bzw. von dort nach Europa kamen. Hinzu kommen die Bemühungen der Pflanzenzüchter, die seit Beginn der menschlichen Besiedlung selektiv die besten Pflanzen gezüchtet haben, sowie die Pflanzenjäger des 18. und 19. Jahrhunderts, sodass heute eine ständig wachsende Zahl von X Millionen Zierpflanzen kultiviert wird.
Wie gehen die heutigen Gärtner mit diesem enormen Ressourcenangebot um, wenn sie die historischen Gärten, für die sie zuständig sind, restaurieren oder neu anlegen? Halten sie sich sklavisch an die historisch korrekten Pflanzen, die zur Verfügung standen, als der Garten angelegt wurde, oder nutzen sie die Verbesserungen, die seitdem in die Züchtungen eingeflossen sind? Gibt es die Freiheit, Pflanzstile so zu interpretieren, dass sie unseren aktuellen Bedürfnissen nach ganzjähriger Attraktivität, Trockenheits-/Krankheitsresistenz oder nachhaltigen Gartenbaumethoden entsprechen?
Wir haben für Sie drei Vorträge zu diesem Themenfeld ausgewählt, für die wir die wichtigsten Inhalte zusammengefasst haben. Darunter finden Sie jeweils den Link zur Präsentation auf YouTube, zur deutschen Übersetzung der Transkription (überarbeitete KI). Sie finden dort auch Links zu weiterem Material des Projektes zu diesem Themenfeld sowie externe Links zum Thema, die wir empfehlen können. Für Ihre Hinweise zu weiteren Quellen sind wir dankbar.
Prof. Cassian Schmidt, Hochschule Geisenheim, Studiengang Landschaftsarchitektur; Gastprofessur für Pflanzenverwendung an der TH Ostwestfalen-Lippe, Deutschland:
Der neue deutsche Stil: Anpassung an den Wandel – Kenntnisse, Standards und Nachhaltigkeit bei der Bepflanzung historischer Gärten
Dr. Renske Ek, Gartenkuratorin, Paleis Het Loo, Niederlande:
Rekonstruktion historischer Gärten – Epoche, Design und Pflanzen.
Het Loo als Fallstudie
Cassian Schmidt berichtet über den „neuen deutschen Stil” der Gartengestaltung, bei dem der Schwerpunkt darauf liegt, historische Gärten durch nachhaltige, habitatbasierte Bepflanzungskonzepte an moderne Bedürfnisse anzupassen. Die Präsentation, mit vielen Beispielen aus dem Schau- und Sichtungsgarten Hermannshof in Weinheim, betont Innovation, Inspiration durch natürliche Vegetation und Pflegestrategien, um den Arbeitsaufwand zu reduzieren, ohne dabei Abstriche bei der Qualität zu machen.
Wichtige Punkte:
Geschichte und Einflüsse: Ein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung des Gartens seit den 1920er Jahren, insbesondere nach den 1980er Jahren. Zu den Einflüssen gehört die englische Arts-and-Crafts-Gartenbewegung.
Lebensraumorientiertes nachhaltiges Bepflanzungsdesign: Das Kernkonzept dreht sich um die Schaffung geplanter Pflanzengemeinschaften, die miteinander interagieren und zu bestimmten Lebensräumen passen. Dieser Ansatz wird als „neuer deutscher Stil” zusammengefasst.
Inspiration durch natürliche Vegetation: Die Designphilosophie lehnt sich stark an natürliche Pflanzengemeinschaften an und zielt darauf ab, deren Dynamik in einer geplanten Umgebung nachzubilden.
Pflegestrategien: Die Reduzierung des Pflegeaufwands ist ein wichtiges Ziel, das durch sorgfältige Pflanzenauswahl und Pflegetechniken erreicht wird, die die Qualität und Attraktivität des Gartens erhalten.
Zufälliger Bepflanzungsstil: Der Garten verwendet einen „zufälligen Bepflanzungsstil”, der die natürliche Vermischung nachahmt und gleichzeitig den historischen Kontext des Gartens berücksichtigt.
Vermächtnis und Erbe: Im Garten gibt es viele alte Bäume, von denen einige über 240 Jahre alt sind, sowie einen von Gravetye Manor inspirierten Glyzinienweg als Mischung aus historischen und modernen Elementen.
Entwicklung des Gartens: Der Garten hat sich von einem formalen Beetpflanzenstil zu einem naturalistischeren Erscheinungsbild entwickelt, mit landschaftsorientierten Designs, die die Anzahl der Sorten reduzieren und eine wiesenähnliche Wirkung erzielen.
Habitatbasiertes Konzept: Der Garten ist in verschiedene Lebensräume (Fels, Steppe, Wald) unterteilt, um die Pflanzen an ihre ideale Umgebung anzupassen, wobei der Schwerpunkt auf ganzjährigen visuellen Veränderungen und ökologischem Gleichgewicht liegt.
Die „Bibel” der Bepflanzungsgestaltung: Richard Hansens Buch über Gartenlebensräume gilt als grundlegend für die Bepflanzungsgestaltung in Deutschland und betont sowohl die Anforderungen an den natürlichen Lebensraum als auch die ästhetische Qualität.
Pflegeleichte Bepflanzung: Der Garten testet und implementiert pflegeleichte Bepflanzungsstrategien, die für öffentliche Grünflächen geeignet sind, wobei der Schwerpunkt auf stressresistenten Pflanzen und Ressourcenbeschränkung liegt.
Entwicklung eines zufälligen Bepflanzungsstils: Es wird ein neuer zufälliger Bepflanzungsstil entwickelt, bei dem anstelle eines detaillierten Plans eine Pflanzenliste verwendet wird, wobei der Schwerpunkt auf Geselligkeit und Lebensraumangepasstheit liegt.
Strategien zum Überleben von Pflanzen: Der Garten wendet die Strategien von Professor Grime zum Überleben von Pflanzen (Stresstoleranz, Konkurrenz und Ruderalität) an, um die Pflanzenauswahl und -pflege in öffentlichen Grünflächen zu optimieren.
Wichtige Informationen:
- Der „neue deutsche Stil” ist mehr als nur eine habitatbasierte Bepflanzung; er berücksichtigt die Geselligkeit von Pflanzen und strebt ein dynamisches, fast selbsttragendes Ökosystem an.
- Mulchen wird als ein wichtiger Faktor für die Reduzierung des Pflegeaufwands angesehen, insbesondere das Mulchen mit Mineralien.
- Der Garten dient als gartenbauliche Forschungseinrichtung, die den Schwerpunkt auf innovatives Pflanzdesign und ökologisch basierte Staudenpflanzungen legt.
- Der Garten zieht jährlich etwa 150.000 Besucher an und wird hauptsächlich privat finanziert, was ihn unter den Versuchsgärten einzigartig macht.
- Der Referent betont, wie wichtig es ist, diese Ideen durch Bildung an die nächste Generation weiterzugeben.
Text: Deutsche Übersetzung der Transkription (mit Hilfe von noteGPT.io)
Video (37:25): Mitschnitt des Vortrags auf YouTube (englisch)***
*** Eine automatische, deutsche Übersetzung erhalten Sie auf YouTube, wenn Sie auf „Einstellungen“ gehen, „Untertitel“ aktivieren, „Automatische Übersetzungen“ anklicken und dann „Deutsch“ auswählen.
In ihrer Präsentation spricht Renske Ek, Gartenkuratorin in Het Loo, Niederlande, über die Rekonstruktion historischer Gärten, wobei sie sich auf zeitgeschichtliche Überlegungen, Gestaltung und Pflanzenauswahl konzentriert. Sie nutzt Het Loo als Fallstudie, um die Komplexität und die Entscheidungen zu veranschaulichen, die mit solchen Projekten verbunden sind.
Wichtige Punkte:
Anerkennung durch die Charta von Florenz: Die Rekonstruktion und Renovierung von Gärten wird seit 1981 in der Charta von Florenz als architektonische und gärtnerische Komposition anerkannt, einschließlich Design, Planung, Topografie und Vegetation.
Historische Schichten und Entscheidungen: Die meisten Gärten weisen aufgrund von Eigentümerwechseln und Gartentrends unterschiedliche historische Schichten auf. Bei der Renovierung muss eine Entscheidung getroffen werden, welche Epoche betont werden soll.
Vielfalt und Einzigartigkeit: Es ist wichtig, die Vielfalt und Einzigartigkeit eines Gartens zu berücksichtigen. Wenn ein Garten beispielsweise Schichten aus verschiedenen Epochen aufweist (z. B. Capability Brown-Design oder Mittelalter), muss entschieden werden, welche Schicht hervorgehoben werden soll.
Verfügbarkeit von Ressourcen: Die verfügbaren Ressourcen, einschließlich der Budgets für die Instandhaltung, sind für die langfristige Pflege eines renovierten Gartens von entscheidender Bedeutung.
Die Rekonstruktion von Het Loo: Nach dem Tod des letzten königlichen Bewohners im Jahr 1962 wurde beschlossen, Het Loo wieder in seinen ursprünglichen Zustand aus dem 17. Jahrhundert zu versetzen, als es im Auftrag von Wilhelm III. und Maria II. von England erbaut wurde.
Hinweise zum Design: Zeitgenössische Gemälde, Entwurfsskizzen, Gartenkleider, Reiseberichte und das Wissen der Gartenarchitekten können Hinweise auf das ursprüngliche Design liefern.
Kreativteam: Die Gärten von Het Loo wurden von einem Kreativteam entworfen, zu dem Hans Willem Bentinck, Daniel des Marets, Jacob Roman und Romeyn de Hooghe gehörten.
Pflanzenauswahl: Um festzustellen, welche Pflanzen im 17. Jahrhundert angebaut wurden, müssen die verfügbaren Pflanzen, die Vorlieben der Designer, Reiseberichte, Pflanzeninventare und Indizien berücksichtigt werden.
Bericht von Walter Harris: Walter Harris, der Leibarzt von William, lieferte detaillierte Beschreibungen des Gartens, einschließlich der Pflanzen, die in den verschiedenen Jahreszeiten verwendet wurden.
Blumenschmuck: Der im Palast verwendete Blumenschmuck kann ebenfalls Hinweise auf die Pflanzen geben, die im Garten angebaut wurden.
Pflanzennamen vor Linnaeus: Bei der Arbeit mit Pflanzennamen vor Linnaeus müssen taxonomische Datenbanken und historische Literatur herangezogen werden, um die richtigen Arten zu identifizieren.
Sloane-Herbarium: Das Sloane-Herbarium im National History Museum wurde untersucht, um Pflanzen zu identifizieren, die nicht in den ursprünglichen Listen enthalten waren, aber möglicherweise im Garten vorhanden waren.
Wichtige Informationen:
- Die Bedeutung der Berücksichtigung des langfristigen Unterhaltsbudgets bei der Durchführung eines Gartenrenovierungsprojekts.
- Die Entdeckung der „Hardware” des ursprünglichen Barockgartens unter einer Sandschicht, die eine genaue Rekonstruktion ermöglichte.
- Die Verwendung der detaillierten Berichte von Walter Harris, um die spezifischen Pflanzen zu verstehen, die im 17. Jahrhundert im Garten verwendet wurden.
- Der Prozess der Identifizierung von Pflanzen anhand von vorlinneischen Namen und historischer Literatur.
- Die Rolle sozialer Netzwerke und des Pflanzenaustauschs bei der Bestimmung, welche Pflanzen wahrscheinlich im Garten vorhanden waren.
Text: Deutsche Übersetzung der Transkription (mit Hilfe von noteGPT.io)
Video (22:40): Mitschnitt des Vortrags auf YouTube (englisch)***
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Dr. David Marsh, Trustee of the Gardens Trust, Großbritannien:
Pflanzenzüchter und Gärtner im 19. Jahrhundert: Eine Explosion der Pflanzenvielfalt
Der Referent befasst sich mit der explosionsartigen Zunahme der Einführung neuer Pflanzen in Großbritannien im 19. Jahrhundert und deren Auswirkungen auf die Gartengestaltung. Er beleuchtet wichtige Persönlichkeiten und Gärtnereien, die für diese Explosion verantwortlich waren, sowie das sich wandelnde Verständnis der Farbtheorie in der Gartengestaltung.
Wichtige Punkte:
Sir Joseph Banks und Kew Gardens: Banks gründete mit Unterstützung von Georg III. Kew Gardens als zentrale Drehscheibe für die Einführung neuer Pflanzen aus den Kolonien, mit dem Ziel, die weltweit größte Sammlung aufzubauen. Er initiierte eine Politik der Entsendung von Pflanzenjägern.
Ward’s Case: Die Erfindung von Ward’s Case revolutionierte den Transport von Pflanzen und ermöglichte den erfolgreichen Transport von Pflanzen rund um den Globus. Die Baumschule von George Lodges in Hackney gehörte zu den ersten, die diese Erfindung kommerziell nutzten und Pflanzen mit Australien austauschten.
Kommerzieller Baumschulhandel: Der kommerzielle Baumschulhandel, insbesondere die Baumschule von James Veitch in Exeter, spielte eine entscheidende Rolle bei der Globalisierung britischer Gärten. Veitch war ein erfahrener Gärtner und Vermarkter, der Pflanzenjäger beschäftigte, um eine kontinuierliche Versorgung mit neuen exotischen Pflanzen sicherzustellen.
Veitchs Pflanzenjäger: Veitch beschäftigte William und Thomas Lobb, um Pflanzen aus Südamerika bzw. Asien zu sammeln. Diese Expeditionen führten zur Einführung zahlreicher Zierpflanzen wie Alstroemeria und Begonia, die Veitch dann kreuzte und kommerzialisierte.
David Douglas und Nadelbäume: Die Royal Horticultural Society schickte David Douglas nach Nordamerika, um Bäume zu sammeln, was Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer Begeisterung für Kiefern führte.
Saatgutunternehmen: Saatgutunternehmen wie James Carter von Carter’s Tested Seeds spielten eine wichtige Rolle bei der Verbreitung neuer Pflanzen in einer breiteren Bevölkerungsschicht, indem sie den Versandhandel nutzten und in ihren Katalogen Tipps zum Anbau gaben.
Farbtheorie: Im 19. Jahrhundert wuchs das Interesse an der Farbtheorie und ihrer Anwendung in der Gartengestaltung, wobei Debatten über Farbkombinationen und die Rolle von Grün geführt wurden. Die Gartengestaltungen von Matthew Ball in Stagger sind ein Beispiel für dieses sich entwickelnde Verständnis.
Wichtige Informationen:
- Die schiere Menge der im 19. Jahrhundert eingeführten Pflanzen war beispiellos und verwandelte viktorianische Gärten in farbenfrohe und komplexe Ausstellungen.
- Die Zusammenarbeit von James Veitch mit William Hooker (Direktor von Kew Gardens) war entscheidend für die Identifizierung vielversprechender Regionen und Pflanzen für die Sammlung.
- Carter’s Tested Seeds war ein Pionier des Versandhandels in Großbritannien und machte eine große Vielfalt an Pflanzen einem breiteren Publikum zugänglich.
- Der Referent betont, wie wichtig es ist, den historischen Kontext zu verstehen, wenn man Gärten aus dieser Zeit nachbildet, und weist darauf hin, dass viele Pflanzenarten aus dem 19. Jahrhundert heute nicht mehr im Handel erhältlich sind.
Text: Deutsche Zusammenfassung des Vortrags (mit Hilfe von noteGPT.io)
Video (19:01): Mitschnitt des Vortrags auf YouTube (englisch)***
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Weiteres Material zum Themenfeld aus dem Projekt
Vorträge vom Webinar „Ornamental Plants in Historic Gardens“ am 15.11.2022
Vortrag: Plant Introductions and Dutch Plant Breeders in the 17th and 18th Century (Pflanzeneinführungen und niederländische Pflanzenzüchter im 17. und 18. Jahrhundert).
Dr. Lenneke Berkhout, Dutch Garden Historian
Vortrag: The 18th Century: Expansion or retraction? (Das 18. Jahrhundert: Expansion oder Rückzug?)
Prof. Mark Laird, Heritage Consultant and Lecturer, University of Toronto
Vortrag: The Emergence of “tapetgrupper” in Sweden. (Die Entstehung von „Tapetgrupper“ in Schweden)
Maria Löfgren, University of Gothenburg.
Vortrag: Keeping Track – Plant Records and how to Manage them. (Den Überblick behalten – Pflanzenregister und deren Verwaltung).
Alison Crook, National Curator for Living Collections, National Trust.
Vortrag: Conserving the Diversity of Garden Plants. (Erhaltung der Vielfalt von Gartenpflanzen).
Lucy Pitman, Plant Network.
Vortrag: The Programme for Diversity of Cultivated Plants. (Das Programm zur Vielfalt der Kulturpflanzen).
Linnea Oskarsson, SLU Sveriges Lantbruksuniversitet.
Empfehlungen: externe Links


