Ein frühes Beispiel vom Bruch mit der Tradition bildet die Cadbury Factory (1952) in Moreton im Wirral (GB), einer frühindustriellen Landschaft. Hier zeigt sich eine Mischung aus privatem und öffentlichem Garten. Er konnte sowohl von Fabrikarbeiter als auch der Öffentlichkeit angeschaut und erlebt werden. Hier gab es große Sportanlagen, Tennisplätze und einen beeindruckenden Wassergarten, der aus Beton, dem neuen Baumaterial des 20. Jahrhundert, errichtet war. Neun Becken mit Wasserfällen trennte die Fabrik von der Straße. Die Bepflanzung war nur minimal, da der Garten als Komposition von Formen und Räumen für die Arbeiter gedacht war. Hohe Unterhaltungskosten, die immer ein Problem traditioneller Gärten waren, konnten auf diese Weise vermieden werden. Der Designer Jellicoe glaubte fest daran, dass ein Garten eher ein Kunstwerk als eine Pflanzenausstellung darstellt. Jahre später konzipierte er das Kennedy Memorial in Runneymede (GB). Er nutzte dabei eine Waldlandschaft als sinnträchtiges Gelände und schuf so einen „Garten“, der voller Bedeutung und Emotion war. Dies ist vielleicht die Trennlinie zur Vergangenheit, Gärten wurden zu Orten der Bedeutung statt zu Orten der Zurschaustellung. Außerdem nahm ihre Bedeutung als Teil des öffentlichen Lebens zu.
Das „Musée du Robert Tatin“ in Laval (F) ist ein Skulpturengarten aus den 1960er Jahren. Der Besucher findet hier die Erweiterung der Gartenidee um den zeitgenössischen Aspekt, da es sich im Wesentlichen mehr um eine Zusammenstellung von Gebäuden und Skulpturen als um Pflanzen handelt. Die Skulpturen in der „Avenue des Géants“ ersetzen Bäume. Der „Garten“ steckt voller Symbolik und Bedeutung. Die Hauptkomponente des Gartens ist eine Zusammenstellung von Formen und Räumen, den primären Elementen eines Gartens. Der „Hannah Peschar Sculpture Gardens“ in Surrey (GB) zeigen moderne Skulpturen in einem traditionelleren Gartenambiente.
Es gibt eine große Spannbreite an neuen Gärten von Designern wie Eric Dhont in Belgien, ebenso wie professionelle, großmaßstäbliche öffentliche Parks und städtische Räume von West8 in Holland. Diese Gartenkünstler weiten die Gartenidee aus und präsentieren sie oft als lebende Kunstformen.
Die Museumsinsel Hombroich (D) in Neuss bei Düsseldorf zeigt zehn skulpturenähnliche Gebäude von Erwin Heerich in einer wilden Park- und Wiesenlandschaft. Ihre Idee geht auf ein Zitat von Paul Cézanne zurück: „Kunst parallel zur Natur“. In der Nähe liegt das Museum der Langen-Fondation in der minimalistischen Landschaft einer ehemaligen Raketenstation: Himmel, Erdhügel, Wasser und sechs Kirschbäume am Weg zum Museumseingang – dieselben Bestandteile, die schon „Capability“ Brown 250 Jahre zuvor verwandt hatte, um den englischen Landschaftsstil zu schaffen. „Schloss Dyck“ (D) setzt das zeitgenössische Thema mit seinen Schaugärten fort, wobei die Miscanthus-Gärten, die von modern gestalteten Gartenparzellen durchbrochen werden, besonders bemerkenswert sind.
Sicherlich bildet der Emscher Landschaftspark (D) der großmaßstäblichste und am wenigsten traditionelle Garten. Zwischen Duisburg und Kamen gelegen, führt der „Park“ das industrielle Erbe der Ruhrregion vor Augen. Ein ehrgeiziges Projekt, das nicht nur zur Umgestaltung der Industrieanlagen beitrug, sondern auch im Hinblick auf Architektur, Wirtschaft, Kultur und Erholung bedeutend ist. Während der Landschaftspark Duisburg-Nord von Peter Latz der bekannteste ist, gibt es mindestens 18 weitere größere Industrieparke an der „Route der Industriekultur“ sowie eine fast unbegrenzte Anzahl von Erneuerungsprojekten in der Region. Ideen und Umsetzung hatten internationale Ausstrahlung und zeigen, wie man oftmals unbeachtete Aspekte unseres kulturellen Erbes zu neuem Leben erwecken kann.
EGHN hat bewusst Beispiele zeitgenössischer Gärten und Parke ausgewählt, die visionäre Ideen herausfordern und sich hoffentlich als Experiment ausweiten und neue Bedeutung und Ziele in die Gartenkunst bringen. Gärten haben etwas Einzigartiges, das in keiner anderen Kunstform zu finden ist. „ … Gärten haben eine spezielle Bedeutung. Sie stellen starke Szenarien für das menschliche Leben, die vorübergehende Zeit, den Ort und die Kultur dar. Gärten sind Spiegelbilder unserer Selbst, Reflexionen sinnlicher und persönlicher Erfahrung. Wenn wir Gärten anlegen, sie nutzen oder bewundern oder von ihnen träumen, schaffen wir für uns selbst eine idealisierte Ordnung von Natur und Kultur. Gärten verbinden uns mit unserer kollektiven und urzeitlichen Vergangenheit. Seit Menschengedenken haben sich die Menschen durch die Gärten, die sie angelegt haben, ausgedrückt. Sie leben weiter als Belege unserer privaten Glaubensvorstellungen und allgemeinen Werte, seien sie nun gut oder schlecht.“ (ix)
Autor der englischen Originalversion:
Prof. E M Bennis, Manchester Metropolitan University
für EGHN, 2006
Quellen- und Literaturangaben:
(i) Marx, Leo The Machine in the Garden: Technology and the Pastoral Ideal in New York, 1964
(ii) Treib, Mark Modern Landscape Architecture: A Critical Review MIT Press, Cambridge, Mass. 1993
(iii) Jacques, David Landscapes and Gardens in 1930-2000 unpublished paper for the Garden History Society and the 20th Century Society, Royal Botanic Gardens, Kew 27-28 March 1998
(iv) Bennis, E Interview with Shepheard at his home in London, 17 Feb 2000
(v) Jellico, G & Jellicoe, S Modern Private Gardens Abelard-Schuman, 1968, S. 9
(vi) Crow, S Garden Design Packard, 3rd edition, 1981, S.10
(vii) Church, Thomas Gardens are for People 3rd edition, Univ. of California Press, Berkeley 1995 [1955]
(viii) Downs, Annabel (Ed) Peter Shepheard LDT Monograph No.4, London, 2004 from chapter In Opposition to God-wottery by E Bennis, S.113
(ix) Francis, M & Hester, R The Meaning of Gardens MIT Press, 1999. S. 2